Donnerstag, Februar 23, 2006

Angst vorm Sterben

Vor ein paar Tagen saßen wir mit einem befreundeten Ehepaar zusammen. Ich weiß garnicht mehr wie wir eigentlich auf das Thema kamen, aber es ging um die Angst vorm Sterben. Die Bekannte empfand dieses Thema als so "schlimm", daß sie kaum darüber sprechen konnte. Seit diesen Tagen versuche ich dieses Thema für mich abzuhandeln. Habe ich Angst vorm Sterben? Woher kommt eine solche Angst? Gibt es Gründe um Angst vorm Sterben zu haben?

Je länger ich darüber nachdenke, komme ich zu dem Ergebnis, daß man dieses Thema wahrscheinlich in zwei Themen trennen muß. Da ist einmal die Angst vor dem Tod, die Angst vor dem "Danach". Und die andere Seite ist der Weg des Sterbens.
Für den ersten Teil ist mir ganz klar: Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich habe keine Angst vor dem was nach meinem Leben kommen wird. Für mich ist das ein Weg in etwas Neues, etwas Unbekanntes. Genau wie im Leben freue ich mich auf alles Neue und auf all das, was es zu entdecken gibt.
Manche Leute haben vielleicht genau davor Angst, weil ihnen das Unbekannte Angst macht. Ähnlich einem Kind, das sich vor der Dunkelheit fürchtet. Vielleicht fürchten sie sich auch davor etwas im Leben zu verpassen, weil sie nicht mehr daran teilnehmen können.
Ich lebe jeden Tag so, daß ich nie das Gefühl haben könnte etwas verpasst zu haben. Ich genieße jeden Tag meines Lebens. Deshalb habe ich wahrscheinlich keine Angst vor dem Tod.

Der andere Teil der Thematik, die Angst vor dem Weg des Sterbens, ist eine ganz andere Sache. Wenn ich schon gehen muß, dann soll es auch schnell und schmerzlos sein. Man kann sicherlich Angst davor haben, daß man dem Tod in Raten gegenübertritt, daß das Sterben ein langwieriger Prozeß wird. Dieser Zeitraum zwischen Leben und Sterben soll für mich so kurz wie irgend möglich sein. Wenn ich einen Wunsch äußern könnte, halte ich es so wie Reinhard Mey in seinem Lied "Wie ein Baum, den man fällt":
Wenn‘s wirklich gar nicht anders geht,
Wenn mein Schrein schon beim Schreiner steht,
Wenn der so hastig daran sägt, als käm‘s auf eine Stunde an,
Wenn jeder Vorwand, jede List,
Ihm zu entgeh‘n, vergebens ist,
Wenn ich, wie ich‘s auch dreh‘ und bieg‘, den eig‘nen Tod nicht schwänzen kann,
Sich meine Blätter herbstlich färben,
Wenn‘s also wirklich angeh‘n muß,
Hätt‘ ich noch einen Wunsch zum Schluß:
Ich möcht‘ im Stehen sterben.

Wie ein Baum, den man fällt,
Eine Ähre im Feld,
Möcht‘ ich im Stehen sterben.

Wenn ich dies Haus verlassen soll,
Fürcht‘ ich, geht das nicht würdevoll,
Ich habe viel zu gern gelebt,
Um demutsvoll bereitzusteh‘n.
Die Gnade, die ich mir erbitt‘,
Ich würd‘ gern jenen letzten Schritt,
Wenn ich ihn nun mal gehen muß,
Auf meinen eig‘nen Füßen geh‘n,
Eh‘ Gut und Böse um mich werben,
Eh‘ noch der große Streit ausbricht,
Ob Fegefeuer oder nicht,
Möcht‘ ich im Stehen sterben.

Wie ein Baum, den man fällt,
Eine Ähre im Feld,
Möcht‘ ich im Stehen sterben.

Ohne zu ahnen, welche Frist
Mir heute noch gegeben ist,
Ohne das Flüstern wohlvertrauter Stimmen vor der Zimmertür,
Ohne zu ahnen, was man raunt,
Zum Schluß nur unendlich erstaunt,
Wenn ich Freund Hein wie einen eis‘gen Luftzug um mich wehen spür‘.
Zum letzten Abgang, jenem herben,
Der mir so unsagbar schwerfällt,
Hätt‘ ich den leichtesten gewählt:
Ich möcht‘ im Stehen sterben.

Wie ein Baum, den man fällt,
Eine Ähre im Feld,
Möcht‘ ich im Stehen sterben.

Die größte Angst die mich in dieser ganzen Thematik jedoch befällt, ist die Frage, wie meine Umwelt mit meinem Tod umgeht. Ich habe Angst vor dem Schmerz, den meine Familie befällt, wenn ich einmal nicht mehr bin. Wie geht meine Frau damit um? Wieviel Schmerz verursache ich bei meiner kleinen Tochter? Kann ich es meinen Eltern antun, vor ihnen zu Sterben?
Es ist eine Art Schuldgefühl den Menschen gegenüber, die mich im Leben geliebt haben. Ihnen einen Schmerz - wenn auch ungewollt - zuzufügen, bereitet mir die größte Angst.

Nun muß aber auch Schluß sein mit diesen Gedanken. Denn jetzt lebe ich!

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